Polizei hatte klar übers Ziel hinausgeschossen
Erinnern Sie sich noch? Im September hatten die Jusos im Kommunalwahlkampf satirische Plakate „Präsentiert von Clemens Tönnies“ aufgehängt, und zwar unter die Plakate von Herrn Adenauer, sodass die Adenauer-Plakate weder berührt noch irgendwie sonst beschädigt wurden.
„Wir wollten mit dieser augenzwinkernden Aktion die enge Verbindung zwischen Herrn Adenauer und Herrn Tönnies verdeutlichen“, stellt Matthis Haverland, Vorsitzender der Jusos im Kreis Gütersloh, klar. „Diese Nähe ging ja sogar so weit, dass im Tönnies-Werksverkauf die Gurkensalat-Gläser von Herrn Adenauer nahezu exklusiv verkauft wurden. Zu der Plakataktion stehen wir also heute noch.“
Die CDU und die Polizei hatten die Juso-Plakate wieder abgehängt. Der Abteilungsleiter Polizei der Kreispolizeibehörde Gütersloh persönlich hatte in seine Behörde die Anweisung gegeben, die seinen Chef kritisierenden Plakate abzuhängen, wo immer die Polizei sie auch finde. Auch hatte die Polizei Herrn Adenauer eine Strafanzeige gegen die Jusos vorformuliert. Sven-Georg Adenauer hatte diese Strafanzeige unterschrieben und abgegeben. Die Staatsanwaltschaft musste daraufhin ermitteln. Sogar der Staatsschutz wurde eingeschaltet. Nun ist Adenauer mit seiner Strafanzeige gegen die Jusos gescheitert. Erwartungsgemäß.
„Vor einigen Tagen ging die Nachricht über die Einstellung des Verfahrens bei mir ein“, berichtet Matthis Haverland. „Und zwar nach § 170, Absatz 2 der Strafprozessordnung, also weil die Plakataktion eindeutig keinen Straftatbestand erfüllt und der Staatsanwalt daher keinerlei Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage sah.“ Mit Blick auf die schwierige Zeit, in der sich Deutschland und gerade der Kreis Gütersloh derzeit befinden, wollen die Jusos das Fehlverhalten der Polizei und der CDU aber nun nicht weiterverfolgen. Vorsitzender Haverland: „Corona belastet uns alle schon genug. Wir ziehen daher unsere Strafanzeige wegen des unerlaubten Entwendens der Plakate durch die CDU und die Polizei zurück. Für uns ist die Sache bis auf Weiteres erledigt.“
Thorsten Klute, Vorsitzender der SPD im Kreis Gütersloh, hatte immer eine klare Haltung zu der Aktion der Jusos und der Entwendung der Plakate durch die CDU und die Polizei: „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich die Plakataktion selbst nicht gut fand und ich sie auch nicht gemacht hätte – bei uns in der SPD braucht die Jugendorganisation aber selbstverständlich nicht die Erlaubnis der Mutterpartei für ihre Aktionen. Aber ich habe immer auch klar gesagt: Die Aussagen der Jusos waren selbstverständlich erlaubt und keine Straftat.“ Diese klare Rechtsauffassung hat nun auch endgültig die Staatsanwaltschaft bestätigt. Damit ist auch klar, dass die Polizei kein Recht hatte, die Plakate zusammen mit der CDU abzuhängen.
SPD-Kreisvorsitzender Klute mahnt die Polizeiführung im Kreis für die Zukunft zu mehr Besonnenheit: „Auch wenn die Polizeiführung politische Kritik an ihrem Chef nicht richtig findet, darf die Polizei in Wahlkämpfen nicht einfach anordnen, kritische Plakate abzuhängen. Niemals darf in Deutschland der Eindruck entstehen, die Polizei ließe sich für parteipolitische Zwecke instrumentalisieren.“
Für Thorsten Klute liegt aber auch ein Fehler im System: Der Polizeiaufbau in NRW begünstige in Landkreisen so ein Über-das-Ziel-Hinausschießen: „In Großstädten wie in Bielefeld ist die Polizeipräsidentin unabhängig von lokalen Politiker*innen tätig. In Landkreisen wie in Gütersloh ist aber der politische gewählte Landrat Chef der Polizei. Dadurch kann eine Abhängigkeit der Polizeiführung von zu wählenden Lokalpolitiker*innen entstehen. Schließlich entscheiden die einen ja auch über die Beförderung der anderen. Die Plakat-Posse der Polizei in Gütersloh sollte daher zum Anlass genommen werden, die Polizeiführung in Zukunft nach Vorbild nordrhein-westfälischer Großstädte auch in Landkreisen zu entpolitisieren.“