Neue Kita »Rathaus Racker« löst die Engpässe

Der Kaiserschmarrn – © Foto: Heiko Kaiser

Presseartikel aus dem „Haller Kreisblatt“ vom 04. März 2017
Redakteur: Heiko Kaiser

Halle. Es fehlen derzeit in Halle 70 bis 80 Betreuungsplätze für Kinder im Vorschulalter. Das geht aus Zahlen hervor, die Hermann Bußmeyer in der kommenden Woche dem Ausschuss für Jugend und Soziales vorlegen wird. Was niemand weiß: Der Abteilungsleiter für Jugend, Soziales und Senioren wird den Ausschussmitgliedern am Mittwoch gleichzeitig ein Konzept präsentieren, wie dieses Problem zu lösen ist.

Die Idee ist ebenso einfach, wie genial. „Wo?“, so fragt Bußmeyer im Gespräch mit dem Kaiserschmarrn, „wo sind gleichermaßen soziale, methodische, mathematische, handwerkliche und kulturelle Kompetenzen verortet? Wo ist also ein breites Spektrum dessen vorhanden, was wir den Kindern in dieser wichtigen Entwicklungsphase mit auf den Lebensweg geben wollen?“ Die Antwort ist klar: Im Rathaus. Hier soll daher bereits im Sommer 2017 die Kita »Rathaus Racker« ihre Arbeit aufnehmen.

Im Zuge des Umzuges der Verwaltung in den vergangenen zwei Tagen sind im Gebäude an der Ravensberger bereits Räumlichkeiten für jeweils drei U 3- und Ü 3-Gruppen geschaffen worden. Zur Leiterin soll in der Ausschusssitzung Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann ernannt werden. Als gelernte Erzieherin bringt sie dafür alle notwendigen Qualifikationen mit. „Wir haben die Kapazitäten und Kompetenzen im eigenen Haus. Warum sollte man dieses Potenzial brachliegen lassen?“, fragt Bußmeyer.

Auch er selbst wird mit anpacken und will es sich nicht nehmen lassen, persönlich den Morgen- und Mittagsstuhlkreis zu leiten. Bereits seit zwei Monaten hat sich Bußmeyer intensiv auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet und unter anderem eine zweiwöchige Klatschspiel-Fortbildung zum Thema »Beim Bäcker hat’s gebrannt, brannt, brannt. Da bin ich hingerannt, rannt, rannt, da kam ein Polizist, zist, zist …« absolviert.

Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen

Neben den spielerischen Aspekten soll jedoch auch die naturwissenschaftlich-mathe-matische Komponente in der Erziehung der Rathaus-Racker nicht zu kurz kommen. Verantwortlich für die erste schonende Heranführung an einfache Rechentechniken ist Jochen Strieckmann. „Ich plane, dass die Kinder mit Verlassen der Kita selbstständig Exceltabellen erstellen, den städtischen Haushalt interpretieren und das Zahlenwerk den Fraktionen vor den Haushaltsberatungen detailliert erklären können“, sagt der Kämmerer und fügt hinzu: „Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Kinder lernen, mit Zahlen umzugehen und ich muss mich nicht länger mit den beratungsresistenten Politikern rumschlagen.“

Zweimal in der Woche erlernen die Kinder zudem im Baukreis zunächst elementare, später auch komplexe Legotechniken. „Es beginnt mit einfachen Häusern, doch am Ende werden alle Kinder in nur 37 Minuten jeden beliebigen Straßenzug in Halle nachbauen können“, sagt Jürgen Keil, der sich bereiterklärt hat, diese Aufgabe zu übernehmen. Der Bauamtsleiter legt Wert auf die Feststellung, dass er den Kindern weitaus mehr mitgeben wird als bloßes Klötzchensetzen. „Jedes Bauvorhaben wird realitätsgetreu abgewickelt. Da müssen die Kleinen selbstverständlich auch für das Haus vom Nikolaus einen Bauantrag stellen und manchmal damit leben, dass sie ihre Garage eben nicht genehmigt bekommen“, sagt er.

„Das wird ein großes Hallo geben, wenn Onkel Keil in der Nacht die gebaute Stadt plötzlich völlig umgebaut hat, die Häuser ganz eng zusammenstehen und statt des Bauernhofs am Rande der Legoplatte eine Fabrik steht, die Legosteine produziert“, sagt Anne Rodenbrock-Wesselmann augenzwinkernd und in offensichtlicher Vorfreude. Dann ergänzt sie ernst: „Für die Kinder ist das eine wichtige Lebenserfahrung, die die Frustrationstoleranz schult.“

Einbringen will sich auch die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Eva Sperner. Sie ist vor allem Ansprechpartnerin für kleine Mädchen, die wegen der Beanspruchung durch ihre Puppen aus dem Baukreis ausgeschieden sind und dann zehn Minuten später wieder dorthin zurück wollen. Um rabiaten, männlichen Rackern von Anfang an die Lust an der Einschüchterung der Mädchen zu nehmen, soll mit Kita-Start eine Selbstverteidigungsgruppe für Mädchen ab 18 Monaten eingerichtet werden.

Doch das Rathaus birgt noch viele andere Attraktionen und dürfte so zum wahren Spielparadies werden. „Im Standesamt können die Kleinen Hochzeit spielen, im Bürgerbüro Marken für ihre Stofftiere bestellen oder ihre Kita-Ausweise verlängern“, nennt Halles Bürgermeisterin nur einige Beispiele. Regelmäßig sollen die Kinder zudem im Rahmen des Europäischen Kita-Austausch-Programms (EKA) in die Haller Partnerstädte Valmiera und Ronchin reisen. Für Kinder mit Heimweh ist ein Alternativprogramm geplant. Anne Prell vom Haller Tourismusbüro unternimmt mit ihnen kindgerechte Stadtführungen, die unter anderem unter den Themen »Halle, die Stadt zwischen zwei Eisdielen« oder »Pipi machen mitten auf dem Kirchplatz« stehen. Na, dann los ihr Racker!