
Wenn Siegfried Klösel sich an seine Begegnung mit Helmut Schmidt erinnert, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Unwillkürlich muss er an Hamburger Erbsensuppe denken. Denn diese einfache Speise spielte an jenem Tag im September 1976 eine besondere Rolle.
Kanzler Schmidt wurde damals um die Mittagszeit in Gütersloh zu einem Wahlkampfauftritt erwartet. Er sollte zu Betriebsräten im Hotel Kaiserhof sprechen. Klösel, als Geschäftsführer der Kreis-SPD für die Organisation zuständig, hatte zuvor mit Schmidts Büro Kontakt aufgenommen und nach einem Essenswunsch gefragt. „Der Chef möchte was ganz Einfaches – Hamburger Erbsensuppe“, wurde dem Parteisekretär beschieden. Dieser Spezialität wird die Wurst erst spät beigegeben, damit diese nicht auslaugt.
In Gütersloh hielt Schmidt einen halbstündigen Vortrag. „Die Stimmung im Saal war prächtig“, erinnert sich Klösel. Kaum war die Rede beendet, wanderte die Wurst wie verabredet in den Topf. Doch die Presse fing den Kanzler ab und löcherte ihn mit Fragen. Klösel, ein kantiger Norddeutscher wie Schmidt, schritt umgehend ein: „Ne, dat geiht aber nich“, verwies er auf die vorbereitete Suppe mit Wursteinlage. Der Kanzler merkte auf, vernahm das norddeutsche Platt und antwortete: „Dann geiht dat nich.“ So wurde erst gegessen, bevor die Presse ihren Hunger nach Informationen stillen durfte.
Als linker Sozialdemokrat tat sich Klösel mit Schmidts Politik lange Zeit schwer. „Ich war damals gegen den Nato-Doppelbeschluss“, erinnert sich der heute 76-Jährige an die zentrale politische Kontroverse der frühen 1980er-Jahre. Doch auch wenn er nicht alles für richtig gehalten habe, „Schmidts Tatkraft und Klarheit habe ich immer geschätzt“.
Nach der Kanzlerschaft ging diese Wertschätzung zunehmend in Bewunderung über. Nicht nur, weil Schmidts Festhalten am Nato-Doppelbeschluss sich als richtig erwies, sondern vor allem, weil der Altkanzler bei seinen öffentlichen Auftritten in kurzen, prägnanten Worten schwierige Sachverhalte erklären konnte. „Der hat Sätze gesagt“, erinnert sich Klösel ehrfurchtsvoll, „da hat das bei mir Klick gemacht“.
Keine Frage: Der gebürtige Itzehoer hält große Stücke auf seinen norddeutschen Landsmann und dessen langjährige Ehefrau Loki. Sie seien Vorbilder gewesen, weil sie nicht so viel Theater um sich selbst gemacht und bescheiden gelebt hätten, betont Klösel. Dass Schmidt sich einst als Bundeskanzler in Gütersloh eine schlichte Erbsensuppe wünschte, passt da bestens ins Bild.