
Kreis Gütersloh(WB). ElvanKorkmaz(28) hat die Zukunft im Blick, wünscht sich ein starkes Miteinander, will Jung und Alt zusammenführen und weiß, dass wir gemeinsam mehr erreichen. Ob die SPD-Herausforderin von Landrat Sven-Georg Adenauer mehr zu bieten hat als die Schlagworte ihres Wahlprogramms, wollen die WB-Redakteure Stefan Küppers und Stephan Rechlindarum gemeinsam herausfinden.
Frau Korkmaz, im Kreishaus hängt ein Kreuz in jenem Saal, in dem der Kreistag zusammenkommt. Würde es eine alevitische Landrätin dort hängen lassen?
Elvan Korkmaz: Kein Problem. Der alevitische Glaube ist in der Türkei verwurzelt, doch unsere Grundlage ist die Bibel. Ich wurde von meinen Eltern auf dieser Grundlage erzogen: Sei offen, ehrlich, fleißig und geh‘ furchtlos einen geraden Weg. In der Gütersloher Gemeinde Heilige Familie habe ich einen katholischen Kindergarten besucht. Dort hing auch ein Kreuz.
Warum sind Sie in die SPD eingetreten?
Korkmaz: Alevitische Familien wählen meist entweder Rot oder Grün. Von meinem stark die Bildung betonenden Elternhaus her tendierte ich von Anfang an zur SPD. Und wegen Andrea Nahles.
Andrea Nahles, die Arbeits- und Sozialministerin? Ist sie Ihr Vorbild?
Korkmaz: Sie hat mich geworben. Das war im Anschluss an einen Bundeskongress der alevitischen Jugend, deren Generalsekretärin ich war. Nachdem wir uns 2011 dort kennengelernt hatten, schrieb sie mir und ermunterte mich, der SPD beizutreten. Ich willigte ein, sagte aber gleich, dass ich keine Zeit habe, irgendwelche Ämter zu übernehmen.
Und jetzt wollen Sie Landrätin werden und eine mehr als 1000 Mitarbeiter umfassende Behörde leiten?
Korkmaz: Warum nicht? Ich bin eine Verwaltungsfachfrau, durch und durch. In der Stadt Bielefeld muss ich im Amt für Stadtentwicklung auch immer wieder verschiedene Menschen mit unterschiedlichsten Interessen zusammenbringen und Entscheidungen treffen.
Im Haller Schulstreit gibt es auch viele Menschen mit unterschiedlichen Meinungen. Die klagen sogar gegeneinander…
Korkmaz: Das hätte niemals so weit kommen dürfen, ich bedauere diese Entwicklung zutiefst. Der Streit zwischen vier Kommunen und dem Kreis wird auf den Rücken der Eltern ausgetragen, die sich immer noch fragen, ob die neue Haller Gesamtschule nun kommt oder nicht. Als Landrätin hätte ich es nicht so weit kommen lassen.
So? Was hätten Sie denn getan?
Korkmaz: Mir frühzeitig Gedanken über die Schulplanung im Nordkreis gemacht. Wie die verschiedenen weiterführenden Schulen angesichts schrumpfender Schülerzahlen in Zukunft überleben wollen – das hätte ich nicht nur in der Bürgermeisterrunde angesprochen, sondern auch gegenüber den Ratsfraktionen und Schulvertretern vor Ort.
Eine Schulentwicklungsplanung auf Kreisebene – glauben Sie, dass sich die Kommunen so tief in ihre Angelegenheiten hineinregieren lassen?
Korkmaz: Ja, das glaube ich. An dem jetzigen Zustand können die Stadt Halle und die Ratsmehrheit dort auch kein Interesse haben. So geht es gar nicht.
Als Landrätin würden Sie außerdem ganz anders auf den Ärztemangel im Kreis reagieren. Sollten Sie das nicht lieber den Ärzten und deren Kammern überlassen?
Korkmaz: Eben nicht. Auch in dieser Hinsicht müsste der Kreis viel mehr Motor sein und Impulse geben. Dass mehr als die Hälfte der Allgemeinmediziner im Kreis Gütersloh älter als 60 Jahre ist und die Mehrzahl von ihnen nicht weiß, was aus ihrer Praxis wird, wissen wir nicht erst seit gestern. Sieben von 13 Kommunen in unserem Kreis sind von akutem Ärztemangel bedroht. Wir brauchen ein Netzwerk, das Ärzte, Kammern, Kliniken, Kommunen und Unikliniken zusammenbringt. Warum soll ein angehender Arzt an der medizinischen Fakultät Bochum nicht schon heute erfahren, dass in absehbarer Zeit eine gut gehende Praxis in Rietberg, Verl, Harsewinkel, Steinhagen oder Halle frei wird und von ihm übernommen werden kann, wenn er Interesse hat? Gegenwärtig wissen die verschiedenen Akteure nicht mal etwas voneinander.
Falls Sie als neue Landrätin ins Kreishaus einziehen, wird die Kasse leer sein. Die Ausgleichsrücklage ist aufgebraucht. Müssen künftig die Kommunen stärker für den Kreis aufkommen oder wollen Sie sparen?
Korkmaz: Den Kommunen einfach in die Kasse zu greifen, verbietet sich von selbst. Doch erwarten Sie jetzt bitte keine Sparvorschläge von mir. Bevor ich irgendwelche Hausmarken setze, muss ich mich erst einmal gründlich in die Abläufe der Kreisverwaltung einarbeiten.
Das Land hat keine so hohen Skrupel, unseren Kommunen in die Kassen zu greifen…
Korkmaz: Sie spielen auf den Solidarbeitrag an. Ja, er schränkt den Handlungsspielraum unserer Kommunen aus Solidarität zu schwächeren Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ein. Obwohl das Land inzwischen den Löwenanteil dieser Last übernommen hat, kann ich die Kritik daran nachvollziehen. Das gilt übrigens auch für die Kritik am LEP, also den Landesentwicklungsplan. Er schränkt die Entwicklungsmöglichkeiten unserer Kommunen stark ein. Die Detmolder Erklärung hätte ich mit unterzeichnet.
Wie bitte?
Korkmaz: So geht es doch auch nicht. Wenn man einer Region etwas nimmt, dann muss man ihr auch etwas anbieten. Die darbenden Kommunen im Ruhrpott haben jede Menge industrielle Brachflächen, aber keinen Cent, um sie zu entwickeln. Entwicklungspotenzial aber gibt es hier, in Ostwestfalen-Lippe. Warum also rechnet das Land brach liegende Gewerbeflächen des Ruhrgebietes nicht auf das Entwicklungskontingent der Soli-Geberkommunen in Ostwestfalen an? Das sollte in einem Flächenpool doch wohl möglich sein. Das Ziel des LEP, den Flächenverbrauch zu reduzieren, würde gewahrt, und den Kommunen hier würden dringend benötigte, gewerbliche Entwicklungsflächen genehmigt. Mit diesem Vorschlag würde ich als Landrätin ins Rennen gehen. So stelle ich mir Ansätze vor, Konflikte kreativ zu lösen.
Der amtierende Landrat ist Vorsitzender des Aktionsbündnisses zum Bau der A 33. Würden Sie ihm auch in dieser Position folgen?
Korkmaz: Warum nicht? Es hätte aber keine Priorität. Bund und Land bauen die A 33 jetzt, das ist gesetzt. Ganz anders sieht es da schon bei der B64n zwischen Herzebrock-Clarholz und Warendorf aus. Da muss immer wieder nachgehakt und erinnert werden, wenn etwas draus werden soll.
Gütersloh sucht im kommenden Jahr einen neuen Bürgermeister. Wäre das etwas für Sie?
Korkmaz: Daran habe ich noch nicht einen Gedanken verschwendet. Ich will Landrätin werden und stecke gerade mitten im Wahlkampf für dieses Amt.
Zur Person:
Das große Latinum hatte die 1985 in Gütersloh geborene Elvan Korkmaz mit 19 Jahren in der Tasche, als Leistungskurse wählte sie am Städtischen Gymnasium Französisch und Mathe. Mit ihrer Abi-Note hatte sie die freie Jobauswahl – und entschied sich für ein Duales Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin an der FH Bielefeld. In der Stadtverwaltung Bielefeld arbeitete sie nach ihrem Abschluss 2008 zunächst für die Arge (später Job-Center), seit 2009 im Projektmanagement in der Stadtentwicklung. Von 2010 bis 2013 war Korkmaz Generalsekretärin des Bundes der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland. Sogar zwei Jahre Ehe hat Korkmaz schon ausprobiert – und beendet.