Das 1906 beschlossene „Mannheimer Abkommen“ gehört nicht zu den geschichtlichen Meilensteinen, die jeder Bürger für sich präsent hat, das weiß Hans Duncke von der Friedrich-Ebert-Stiftung sehr gut. Der Vertrag, in dem Gewerkschaften und SPD nach jahrelangen Debatten in der Arbeiterbewegung formal ihre Gleichberechtigung vereinbarten, war das Fundament für die Ausstellung „Uneins – aber einig? Zur Geschichte des Verhältnisses von SPD und Gewerkschaften“. Auch heute noch gibt es mal mehr, mal weniger Spannungen zwischen Gewerkschaften und Sozialdemokratie. „Wer die Zeitung aufschlägt, findet mit Sicherheit Äußerungen über diese beiden Gruppierungen, mal geht es um Streit, mal um Einigkeit“, machte Dunck die Facetten der Partnerschaft deutlich. Dieses Spannungsfeld thematisiert die Ausstellung, die am Sonntag vom Parlamentarischen Staatssekretär Klaus Brandner (MdB), Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann und dem Bevollmächtigten der IG Metall Bielefeld Harry Domnick eröffnet wurde. Bis zum 9. Juni wird sie im Bürgerzentrum Remise zu sehen sein.
43 Jahre ist Klaus Brandner schon Mitglied der IG Metall, vor 39 Jahren trat er der SPD bei. „Fast die Hälfte der in der Ausstellung behandelten Zeit habe ich also aktiv miterlebt“, stellte der Staatssekretär in seiner sehr persönlichen Einführung heraus. Er erinnerte sich noch gut an die ersten Auseinandersetzungen mit den Jusos. „Mit 17 Jahren war ich gerade in die Gewerkschaft eingetreten und habe praktisch viel verändert und bewegt – manchen Jusos war das aber alles nicht revolutionär genug.“
Vier Jahre später entschloss sich der junge Klaus Brandner dann doch, die Sozialdemokraten zu unterstützen, denn er bemerkt: „Nur gemeinsam als Partner auf Augenhöhe kann man Ziele erreichen.“ Alle wesentlichen sozialen Verbesserungen hätten Gewerkschaften und SPD gemeinsam erkämpft, so müsse es auch in Zukunft geschehen. Als Beispiel nannte der Staatssekretär und ehemalige langjährige Bevollmächtigte der IG Metall Gütersloh die Gestaltung der Globalisierung. Unter diesen Bedingungen gute Arbeit für alle zu erreichen, das sei heute die große Herausforderung für beide Partner.
„Wichtig ist, zu wissen, dass die Gewerkschaften nicht der verlängerte Arm der SPD sind, die SPD aber auch keine Gewerkschaftspartei ist“, wies Brandner auf die Gleichberechtigung hin, deren Ursprung sich im Mannheimer Abkommen findet. Der Abgeordnete wünschte sich in seiner Funktion als Sozialdemokrat vor allem, dass die Gewerkschaften akzeptieren können, dass Kompromisse zum politischen Alltag im Regierungsgeschäft dazu gehören. Für den Staatssekretär ist die gute Zusammenarbeit zwischen seiner Partei und den Gewerkschaften – hier insbesondere den DGB-Gewerkschaften – in die Zukunft gerichtet. In der will er sich besonders für gute Arbeit einsetzen. Gute Arbeit, so Brandner, zeichne sich durch faire Bezahlung, die Möglichkeit zur Weiterbildung, Familienfreundlichkeit und Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen, aus.
Den Umgang von Gewerkschaften mit politischen Kompromissen betrachtete auch der Harry Domnik, in seiner Rede. Neben der Kritik an der Agenda 2010 fragte er aber auch sich selbst: „Ist das Verständnis, das wir als Gewerkschaften von Politik haben, denn richtig?“ Der Gewerkschafter wusste, Kompromisse in der Politik seinen für viele Mitglieder ein Tabu-Thema, ein rotes Tuch. „Dabei ist das eigentlich unverständlich, denn auch jeder Tarifvertrag ist ein Kompromiss, egal ob er mit Warnstreiks und Kundgebungen oder Arbeitskampfmaßnahmen begleitet wird.“
Die Ausstellung zeigt sehr deutlich, wie sich das Verhältnis von SPD und Gewerkschaften in unterschiedlichen historischen Situationen entwickelt hat, welche Spannungen es gab und gibt und welche Gemeinsamkeiten die beiden Partner tief vereinen. „Hier kann man viele Antworten finden und auch Impulse für die weitere politische Arbeit bekommen“, lud Anne Rodenbrock-Wesselmann die zahlreichen Gäste der Eröffnung zur intensiven Beschäftigung mit dem Thema ein. Hans Duncke wünscht sich vor allem, dass auch Schulklassen den Weg in das Bürgerzentrum Remise finden. Dort ist noch bis zum 9. Juni von Montag bis Freitag von acht bis zwölf und von 15 bis 18 Uhr die Ausstellung zu sehen.
Bildzeile:
Eröffneten Ausstellung: Harry Domnik (von links), erster Bevollmächtigter der IG Metall Bielefeld, Klaus Brandner, Parlamentarischer Staatssekretär, Anne Rodenbrock-Wesselmann, Haller Bürgermeisterin, Hans Duncke, Friedrich-Ebert-Stiftung und Wolfgang Bölling, Geschäftsführer der Kreis SPD.