
Acht Bewerber auf eine Ausbildungsstelle, fast jeder sechste Jugendliche ohne Arbeit oder Ausbildung – Ostwestfalen-Lippe stellt in Sachen Ausbildung das Schlusslicht NRWs dar. Und dies obwohl OWL bis 2020 die jüngste Region Deutschlands sein wird. Auch die Zahlen für den Kreis Gütersloh für Juli 2006, die Wolfgang Bölling, SPD-Regionalratsmitglied, nannte, sind erschreckend: 3172 gemeldete Bewerber kommen auf 1745 Ausbildungsstellen. Den hieraus resultierenden Handlungsbedarf haben die SPD-Regionalratsfraktion und die SPD-Kreistagsfraktion zum Anlass genommen, um auf die Regionalkonferenz im November 2006 hinzuweisen, die im Zeichen von Bildung und Innovation steht.
Günter Garbrecht, Mitglied des Landtags und Vorsitzender des Landtagsausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales, machte die dramatische Problemlage deutlich, indem er darauf verwies, dass eine hinreichende schulische Ausbildung heute keine Ausbildungsplatzgarantie mehr sei. Das duale Ausbildungssystem mit dem Hauptproblem der fehlenden Ausbildungsplätze stehe, so Garbrecht, vor seiner größten Herausforderung. Dass nur noch 40% der ausbildungsfähigen Betriebe ausbilden, sieht er als sehr erschreckend an und appellierte an die Region, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen und die neue Vielfalt von Ausbildungsmöglichkeiten zu nutzen. Laut Garbrecht gilt es, mit Hilfe eines Masterplans, die zunehmende Diskrepanz von steigenden Schülerzahlen und immer weniger Ausbildungsplätzen einzudämmen.
In den Gesprächsrunden mit Experten zum Thema „Übergang Schule – Beruf“ stellten sich Helmut Zumbrock (Dezernent für Berufskollegs in Detmold), Susan Grüner (Übergangscoach) und Christian Jung (Kreisdirektor) zum Dialog bereit. Susan Grüner, die als Übergangscoach an der Hauptschule in Steinhagen tätig ist, konnte aus ihrem Projekt eine positive Bilanz ziehen. Besonders der persönliche Kontakt zu kleinere Betrieben hätte sich positiv auf die Vermittlung der Schüler ausgewirkt. Für viele Schüler, die unter Orientierungslosigkeit leiden, sei das Coaching zudem sehr motivationsfördernd. Ihre Devise lautet deshalb „auffordern und begleiten“. Auch Zumbrock sieht Zukunft in dem Projekt, wies aber auch auf die Notwendigkeit einer stärkeren Vernetzung und Langfristigkeit hin. Die strukturelle Umsetzung lege nun in den Händen der Politik. Kreisdirektor Christian Jung sprach sich dafür aus, durch neue Ausbildungsmöglichkeiten, wie die Verbundausbildung mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Zudem müssen konsequenter die aufgefangen und gefördert werden, die Schwächen aufweisen. Wichtig sei diesbezüglich auch, sehr genau zu schauen, wo die Trends in der Beschäftigung hingehen. Grüner appellierte an die Moral der Unternehmer und sprach sich dafür aus, das Projekt des Coaching, das bis Ende 2007 angesetzt ist, weiterlaufen zu lassen.
In der zweiten Gesprächsrunde fanden sich anschließend Helmut Flöttmann (Ausbildungsleiter Fa. Miele), Hans-Werner Heißmann (Gewerkschaftssekretär IG-Metall) und Hans-Peter Klausmeier vom Ausbildungsnetzwerk BANG ein. Auch Klausmeier konnte aus dem 2001 in Hövelhof gestartetem Netzwerk eine positive Resonanz ziehen. Gegründet wurde BANG im Kreis Gütersloh im Mai diesen Jahres und konnte bisher zwölf Auszubildende an Firmen vermitteln. Auch er konnte die positive Zusammenarbeit mit kleinen Unternehmen bestätigen, die gerne in ihre Auszubildenden investieren, wenn sie somit gute Fachkräfte hervorbringen können.
Flöttmann sah sich als Ausbildungsleiter der Firma Miele, die jedes Jahr viele Auszubildende einstellt, vor neuen Problemen, da sich die Situation der Eingangsqualifikation dramatisch ändert. Die Auswahl der Bewerber im Technikbereich gestalte sich aufgrund mangelnder Qualifikation immer schwieriger. Er appellierte jedoch ausdrücklich an die Ausbildungsmoral und an die soziale Verantwortung der Unternehmen. Heißmann bestätigte, dass man Unternehmen wie Miele pflegen muss, da Ausbildung der Grundstein für alle Jugendlichen sei.
In ihrem Schlusswort sprach sich auch Ulla Ecks, Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion dafür aus, das Projekt des „Übergangscoaching“ zu verlängern. Sie plädierte dafür, auf die schrittweisen „Insellösungen“ zur Milderung der dramatischen Problematik zu bauen.
Es gilt nun, diese weiter zu transportieren und andere von ihnen zu überzeugen.