„Kompliziert und wenig transparent“

In den Kommunen entscheidet sich Lebensqualität, dort ist die Basis von Demokratie. Deshalb will die SPD starke finanzkräftige Kommunen mit einer leistungsfähigen Infrastruktur. Dies sehen die Sozialdemokraten derzeit stark gefährdet, denn die schwarz-gelbe Landesregierung plant eine Reihe von Änderungen der Gemeindeordnung. Auf Einladung des Kreisvorsitzenden, Klaus Brandner, kamen die wichtigsten kommunalen Mandatsträger, Ratsvertreter und Vorstandsmitglieder der SPD zusammen, um sich über die Reformpläne zu informieren und auszutauschen. Marion Weike, Bürgermeisterin von Werther und Vorstandsmitglied der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) berichtete ausführlich über die Konsequenzen der geplanten Veränderungen für die kommunale Selbstverwaltung.

Die schwarz-gelbe Landesregierung plant, die Gemeindeverfassung und das kommunale Wahlrecht in NRW grundlegend reformieren. Die rechtliche Stellung der Landräte und Bürgermeister, die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und das kommunale Wahlrecht stehen im Fokus der Neuerungen. So sollen die Kompetenzen zwischen Rat und Verwaltung neu geordnet werden. Bürgermeister sollen zukünftig für acht anstatt bisher für fünf Jahre gewählt werden. Damit werden zugleich die Wahlen der hauptamtlichen Verwaltungsspitzen von den Wahlen zu den Räten und Kreistagen entkoppelt. Außerdem sind einschneidende Veränderungen des kommunalen Wahlrechts geplant. Auch die Betätigung der Kommunalen Wirtschaft soll eingeschränkt werden.
Marion Weike führte in ihrem Vortrag detailliert die einzelnen Reformansätze auf und skizzierte die möglichen Auswirkungen auf die Kommunalpolitik. Kritik übte die Expertin an den Plänen, die Amtszeit von Landräten und Bürgermeistern auf acht Jahre zu verlängern und diese Wahlen von den Kommunalratswahlen zu trennen. Ziel dieses Vorhabens sei wohl, das Versorgungsproblem vieler Amtsinhaber zu beheben, vermutete die Bürgermeisterin. Bisher erhält ein Mandatsträger erst Ansprüche, nachdem er acht Jahre diese Funktion innehatte. „Das Problem, dass wegen der Versorgungsunsicherheit nur noch Kandidaten aus dem öffentlichen Dienst für solche Ämter kandidieren, muss auf andere Weise als durch eine Amtszeitverlängerung gelöst werden.“ Außerdem, so fürchtet Marion Weike, könne die Abkoppelung der Bürgermeisterwahlen von den Ratswahlen zu Demokratieverlust, Politikverdrossenheit und niedrigeren Wahlbeteiligungen führen.
Kompliziert und arbeitsintensiv könnten die Wahlen werden, wenn die Gemeindeordnung geändert wird, denn dann gibt es auch neue Reglungen für das Kommunalwahlrecht. So sollen die Bürgerinnen und Bürger das Recht erhalten, Stimmen auf einzelne Bewerber anzuhäufen (Kumulieren) und auf verschiedene Bewerber zu verteilen (Panaschieren). „Instrumente wie Kumulieren und Panaschieren sind nicht automatisch gut, nur weil andere sie nutzen“, warnte Weike mit Verweis auf das geltende Kommunalwahlrecht in Bayern und Baden-Württemberg. Die Änderungen des Wahlverfahrens könnten zur Folge haben, dass die einzelne Person im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht und nicht die Themen und Programme. „Das Wahlverfahren ist kompliziert und wenig transparent, die Wahlbeteiligung sinkt, es gibt mehr ungültige Stimmen und das Wahlergebnis wird meistens erst mehrere Tage nach dem Wahlvorgang veröffentlicht“, so die Einschätzung der Wertheraner Bürgermeisterin.
Besonders kritisch beurteilt Marion Weike auch die geplante Einschränkung der wirtschaftlichen Tätigkeit von Kommunen. Dass Kommunalpolitik nur dann wirksam die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ regeln kann, wenn sie eine gesunde finanzielle Basis hat, gehört zum Grundverständnis der Sozialdemokraten. Deshalb stieß der Angriff auf die Kommunalwirtschaft auch bei den versammelten Sozialdemokraten auf einhellige Ablehnung. Nach dem Motto „privat vor Staat“ soll der § 107 der Gemeindeordnung dahingehend geändert werden, dass Kommunen sich zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben nur noch dann wirtschaftlich betätigen dürfen, wenn „ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert und der öffentliche Zweck durch private Unternehmen nicht ebenso gut und wirtschaftlich erfüllt werden kann". Auch der SPD-Kreisvorsitzende, Klaus Brandner, findet die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen problematisch. „Privat ist nicht zwangsläufig besser als staatlich. Kommunale Unternehmen brauchen den Wettbewerb mit privaten Firmen nicht zu fürchten.“ Statt einseitig die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen zu beschränken, solle die Landesregierung vielmehr bestehende Beschränkungen für die kommunalen Unternehmen aufheben und gleichberechtigte Wettbewerbsbedingungen ermöglichen, forderte Brandner. „Kommunale Unternehmen sind wichtige Partner kleiner- und mittelständischer Betriebe. Städte und Gemeinden tragen so in erheblichem Maße zur Sicherung lokaler Arbeitsplätze bei.“ Dies solle man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
„Es gibt unstreitig Reformbedarf, aber die Vorschläge der Landesregierung sind unausgegoren“, so gab die Haller Bürgermeisterin, Anne Rodenbrock-Wesselmann, die Meinung der versammelten Kommunalpolitiker wieder. Auch Klaus Brandner betonte die Gesprächsbereitschaft der Sozialdemokraten und warb für eine breite Debatte über die Reformpläne. „Wir sperren uns nicht gegen notwendige Veränderungen. Aber die Regelungen müssen transparent, vernünftig und praktikabel sein.“ Die kommunalen Mandatsträger der SPD wollen nun vor Ort in ihren Gemeinden nicht nur mit den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch und gerade mit den Kommunalpolitikern der anderen Parteien das Gespräch über die Pläne der Landesregierung suchen.

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Sehen die geplanten Änderungen der Gemeindeordnung sehr kritisch: Schatzmeister Jan Ziervogel (von links), die Wertheraner Bürgermeisterin und SGK-Vorstandmitglied Marion Weike, der SPD-Kreisvorsitzende Klaus Brandner, die stellvertretende Vorsitzende Ulla Ecks, die für den Landesvorstand vorgeschlagene Haller Bürgermeisterin Anne Rodenbrock-Wesselmann und der Geschäftsführer Wolfgang Bölling.