Deutschland bewegt sich – Reformpakete beschlossen

Gerhard Schröder

Am Freitag haben sowohl Bundestag als auch Bundesrat in Berlin die Reformpakete der rot-grünen Bundesregierung gebilligt. Damit sind nun zentrale Punkte der Agenda 2010 beschlossen. Der SPD-Vorsitzende, Bundeskanzler Gerhard Schröder betonte, dass damit allerdings der Reformprozess noch nicht abgeschlossen sei: „Die Reformen geben Raum und machen Ressourcen frei für die zentralen Zukunftsaufgaben, die in der nächsten Reformstufe angepackt werden müssen: Bildung und Forschung“, erklärte Schröder. Deutschland müsse auch hier in den nächsten Jahren wieder an die Spitze Europas und an Weltspitze kommen.

Müntefering: Sozialstaat erhalten – Wohlstand sichern
Ähnlich hatte sich im Vorfeld der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering geäußert. Er sagte, man werde in den kommenden Jahren weiter darüber beraten, wie der Wohlstand in Deutschland gesichert werden könne durch mehr Investitionen in Bildung, Forschung, Technologie und technologische Innovation. „Wir werden nicht reich durch niedrige Löhne“, wandte sich Münte- fering an die Unionsfraktionen.
„Die Agenda 2010 beginnt“, bekräftigte er. Damit bekomme die politische Erneuerung des Landes „Richtung und Tempo“: Dabei bleibe die Substanz des Sozialstaates erhalten, während der Wohlstand dauerhaft gesichert werde.

Schröder: „Gerede“ von der „deutschen Krankheit“ vorbei
Schröder, dankte in der Debatte im Bundestag der Opposition dafür, sich einem Kompromiss nicht verweigert zu haben. Mit den Beschlüssen zur Agenda 2010 gebe es nun ein „Signal, dass Deutschland sicht bewegt“. Schröder prognostizierte, dass dies auch im Ausland anerkannt werde, wo es mit dem „Gerede“ von der „deutschen Krankheit“ vorbei sein werde.

Die zentralen Punkte in der Übersicht:

Steuersenkung
Für 2004 wurde eine milliardenschwere Steuerentlastung beschlossen. Insgesamt werden die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft durch die zum 1. Januar 2004 in Kraft tretende Steuerreform um 15 Mrd. Euro entlastet. Davon entfallen 6,1 Mrd. Euro auf die bereits beschlossen zweite Stufe sowie 8,9 Mrd. Euro auf das Vorziehen der veränderten dritten Stufe.

Die Gesamtentlastungen werden zu 30% über Schulden finanziert, dazu kommen Privatisierungserlöse von 5,3 Mrd. Euro aus dem Verkauf von Bundeserlös. Diese Einnahmen werden sich Bund und Länder teilen.

Ferner werden Subventionen abgebaut: So wird zum einen die Pendlerpauschale auf einheitlich 30 Cent je Kilometer Entfernung vom Arbeitsplatz gekürzt, zum anderen reduziert sich die Eigenheimzulage um 30%. Ferner sinkt der Arbeitnehmer- freibetrag von 1.044 auf 920 Euro.

Gekürzt wird auch der Sparerfreibetrag von 1.550 Euro (Alleinstehende) sowie 3.100 Euro (Ehepaare) auf 1.370/2.740 Euro. Alleinerziehende erhalten einen Steuerfreibetrag von 1.308 Euro.

Im Rahmen der Steuerreform sinkt der Eingangssteuersatz zum 1. Januar 2004 von 19,9% auf 16% und der Spitzensteuersatz von 48,5% auf 45%. Parallel erhöht sich der Grundfreibetrag auf 7.664 Euro.

Arbeitslosengeld II
Ferner wurde der Kompromiss über die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum künftigen „Arbeitslosengeld II“ sowie die verschärften Zumutbarkeitsregeln für Langzeit- arbeitslose gebilligt. Nach dem Kompromiss des Vermittlungs- ausschusses soll das Arbeitslosengeld II zum 1. Januar 2005 eingeführt werden.

Zuständig für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen sollen die Arbeitsämter sein, sofern eine Kommune diese Aufgabe nicht selbst übernehmen will. Zudem müssen die Bezieher von Arbeitslosengeld II den neuen Zumutbarkeitsregeln zufolge jede legale Arbeit unabhängig davon annehmen, ob ihnen dafür mindestens der ortsübliche Tariflohn gezahlt wird.

Kündigungsschutz
Beim Kündigungsschutz wird ab Anfang 2004 bei Neueinstellungen die Schwelle für den vollen Kündigungsschutz von fünf auf zehn Mitarbeitern angehoben. Mitarbeiter, die bisher schon einen Schutz genießen, verlieren diesen nicht. Zudem wird die Sozialauswahl auf die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung des Arbeitnehmers beschränkt.

Leistungsträger, die für die wirtschaftliche Existenz des Betriebs wichtig sind, können aus der Sozialauswahl ausgenommen werden.
Mit dem Gesetz wird zugleich die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld grundsätzlich auf zwölf Monate begrenzt. Über 55-Jährige können künftig bis maximal 18 Monate (bisher 24 Monate) Arbeitslosengeld beziehen.

Gemeindefinanzreform:
Die Gewerbesteuer bleibt in wesentlichen Teilen erhalten, wird allerdings nicht auf Freiberufler ausgedehnt. Gewinnträchtige Unternehmen müssen nunmehr auf mindestens 40% ihres Gewinns Gewerbesteuern zahlen, denn die Gewinne können nicht mehr unbegrenzt mit den Verlusten verrechnet werden.

Die Finanzlage der Kommunen wird auch durch eine Absenkung der Gewerbe- steuerumlage verbessert, die Bund und Ländern zufließt. Nach Berechnungen des Finanzministeriums bringt die Absenkung der Umlage von 28 auf 20% den Gemeinden etwa 2,5 Mrd. Euro mehr.

Handwerksnovelle
Die Handwerksordnung wird gelockert: Für insgesamt 53 Berufe soll der Meisterzwang fallen. Außerdem soll es einfacher werden, bei so genannten einfachen Tätigkeiten ohne Ausbildungsbeleg zu arbeiten.

Der Novelle zufolge soll nur noch bei 41 Berufen, die mit gefährlichen Abläufen zu tun haben oder die besonders viele Lehrlinge ausbilden, grundsätzlich ein Meisterbrief zur Gründung eines eigenen Betriebs nötig sein. Auch hier gibt es allerdings Ausnahmen für „langjährige Gesellen“. So können Handwerker, die sechs Jahre im Beruf und davon vier Jahre in „leitender Position“ gearbeitet haben, sich ebenfalls selbstständig machen.

Weitere Punkte
Des weiteren passierten die Amnestieregelung für Steuersünder, die Reform der Sozialhilfe und die Erhöhung der Zigarettenpreise Bundestag und Bundesrat.