Agenda 2010 – Mutige und dringend notwendige Reformen

Im Vorfeld des außerordentlichen SPD-Bundesparteitages am 1. Juni 2003 diskutierte der SPD-Kreisvorstand Gütersloh die Vorschläge des Bundeskanzlers. Der SPD-Kreisvorstand unterstützte mit breiter Mehrheit die Position des Gütersloher Bundestagsabgeordneten Klaus Brandner.

Brandner führte hierzu aus: Deutschland hat in den 90er Jahren unter der Kohl-Regierung die erforderlichen – und in den Nachbarländern realisierten – Erneuerungen verpasst und Strukturprobleme mit Konjunkturhoffnungen überdeckt. Die weltwirtschaftlichen und die Entwicklungen im eigenen Land lassen aber jetzt kein Zögern mehr zu. Wer beharrt und nicht handelt, wo es offensichtlich nötig ist, der versagt – und das wollen wir nicht.

Die Bevölkerungsentwicklung hat ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf unsere sozialen Sicherungssysteme. Der Altersdurchschnitt der deutschen Bevölkerung steigt jährlich. Das ist erfreulich, aber wir müssen darauf reagieren. Bei einer Rentenlaufzeit wie wir sie in den 60er Jahren hatten, läge der Beitragssatz auch heute noch bei 12 Prozent.

Um diesen Herausforderungen standzuhalten, müssen wir dringend Veränderungen angehen. Gerhard Schröder hat in seiner Regierungserklärung am 14. März 2003 ein umfassendes, zum Teil sehr detailliertes Programm zum Umbau des Sozialstaates vorgelegt. Die von ihm skizzierten Reformmaßnahmen in den zentralen Politikbereichen Konjunktur und Haushalt, Arbeit und Wirtschaft sowie in den Sozialen Sicherungssystemen hat der Kanzler unter der „Agenda 2010“ zusammengefasst.

Als Sozialdemokraten wollen wir den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft weiterhin in einem Sozialstaat – einem Sozialstaat, der sich nicht den rasanten Veränderungen verschließt, sondern ihnen nachhaltig gewachsen ist. Wir wissen aber auch, dass die jetzt notwendigen Einschnitte nur von uns mit dem richtigen Augemaß durchgeführt werden können; die Opposition will den Sozialstaat abbauen. Wir brauchen mutige Schritte, um soziale Sicherheit auch zukünftig gewährleisten zu können und wirtschaftliche Dynamik in Deutschland zu entfalten.

Als die drei wichtigste Botschaften nannte Klaus Brandner:
1. Investitionen stärken. Geplant sind in diesem Zusammenhang ein 7 Milliarden-Euro-Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau für die Kommunen sowie ein 8 Milliarden-Euro-Programm für private Wohnraumsanierung. Die Gemeinden werden von der Flutopferhilfe befreit und die Gemeindefinanzreform wird ebenfalls dafür sorgen, dass die Kommunen wieder Spielraum für kommunale Investitionen erhalten.

2. Strukturen effizienter gestalten. Dazu gehört vor allem die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Die Gewährleistung von Hilfen aus einer Hand wird viele Vorgänge vereinfachen. Wir wollen damit erreichen, dass alle Arbeitsfähigen Zugang zu den Angeboten der Arbeitsverwaltung und damit zum Arbeitsmarkt erhalten und schnell in Arbeit vermittelt werden können. Damit verbessern wir auch die Möglichkeiten für Langzeitarbeitslose, eine Beschäftigung aufzunehmen.

3. Passive Leistungen beschränken. Wir müssen wieder deutlich machen, dass Arbeitslosengeld eine zeitlich befristete staatliche Unterstützung aus Beitragszahlungen ist und keine Maßnahme für Unternehmen, sich auf Kosten der Allgemeinheit von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu trennen und die daraus anfallenden Kosten den Beitragszahlern aufzubürden.
Trotzdem: Jeder Mensch, der arbeitslos wird und Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit gezahlt hat, hat einen Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld. Daran werden wir auch nicht rütteln. Das Arbeitslosengeld wird aber von bisher 32 Monaten für die unter 55-jährigen auf 12 und für die über 55-jährigen auf 18 Monate begrenzt, weil die Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Ältere in 1987 nicht dazu geführt hat, dass dafür jüngere Arbeitnehmer eingestellt wurden. Im Gegenteil: Nur jeder siebte Arbeitsplatz wurde neu besetzt. Viele Unternehmen haben das Angebot genutzt, um Personal auf Kosten der Sozialkassen abzubauen.
Arbeitslosengeld soll einen Beitrag dazu leisten, dass Arbeitslose in der Zeit der Arbeitssuche finanziell abgesichert sind. Nicht mehr und nicht weniger. Deshalb ist es vertretbar, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld zeitlich zu begrenzen.
Arbeitslose, die jünger als 45 Jahre sind, sind von der Kürzung der Bezugsdauer nicht betroffen. Sie haben – entgegen anderslautender Berichte in den Medien – auch bisher nur bis zu maximal 12 Monaten Arbeitslosengeld zu bekommen.